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Entlang der Drina zur Donau. Kundschafter als Namengeber am Vorabend einer neolithischen Landnahme


Seiten 64 - 75

DOI https://doi.org/10.13173/zeitbalk.46.1.0064




Freiburg

1 Das Folgende führt Gedanken weiter, die ich seit Jahrzehnten verfolge, zuletzt in: „Sprachliche Spuren des Einzugs von Ackerbau und Viehzucht in Binneneuropa“. In: Saeculum 59 (2008), S. 177–199. In diesem Beitrag, der im Folgenden als Spr. Sp. zitiert wird, sind meine früheren Arbeiten verzeichnet. Der Aufsatz: „Vernetzte Stromnamen. Stufen eines Ausstiegs aus alteuropäischer Normalität“. In: BNF 33 (1998) H. 1, S. 16–38 erscheint mir heute in seinem Untertitel verfehlt. Aus Spr. Sp. werden im Folgenden – mit leichten Abwandlungen – die Kartenskizzen und die Bezifferungen der einzelnen behandelten Flüsse übernommen.

2 Neu ist diesmal, dass ich – anders als im vorangegangenen Aufsatz für das Saeculum – keine primär historisch, sondern namengeschichtlich, philologisch und besonders balkanphilologisch interessierte Leserschaft anspreche. Auch nutze ich die Gelegenheit zu einem zweiten Anlauf in gleicher Sache, um die Abfolge meiner Argumentation umzudrehen. Während ich im Saeculum meinen jahrzehntelangen Erkenntnisweg von Nordosten nach Südwesten weiterverfolgt habe, halte ich mich diesmal an den mutmaßlichen Gang der Ereignisse, der in genau umgekehrter Richtung, beginnend in Asien, ablief.

3 Dass die Sprecher der indogermanischen Grundsprache agrarisch wirtschafteten, ist nach dem Wortschatz, der für sie erschlossen wurde, unstrittig. Die Namen, die in diesem Beitrag behandelt werden, lassen sich zum größten Teil durch indogermanische Parallelen deuten und können daher als Schöpfung von Indogermanen aufgefasst werden.

4 Den fruchtbaren Gedanken, die Einzelsprache Indogermanisch habe sich nur in Verbindung mit der neolithischen Revolution über so weite Strecken ausbreiten können, geht zurück auf Colin Renfrew: Archaeology and Language. The Puzzle of Indo-European Origins. London 1987. Dieses wegweisende Buch steht sich dadurch selbst im Wege, dass sein fruchtbarer Kerngedanke unnötig – unter Hineinnahme von zu viel Archäologie – aufgeschwemmt und seine begrenzte Tragweite nicht absteckt wird. Nicht überzeugt hat mich Renfrew mit seiner Ansicht, Griechenland sei durch Indogermanen agrarisiert worden, s. Proceedings of the International Colloquium on Aegean Prehistory 1. Parc Ridge 1974, S. 264–279. Sein Aufsatz: “World Linguistic Diversity and Farming Disposal”. In: Archaeology and language I: Theoretical and Methodological Orientations, hg. v. Roger Blench und Matthew Springs. London u.a. 1997, S. 82–90. Figure 6 meint eine Zuwanderung früher indogermanisch sprechender Ackerbauern vom Süden zur unteren Donau: offenbar längs der Wardar und der Morawa. Dabei blieben die Flussnamen außer acht, die eindeutig gegen diese Annahmen sprechen.

5 Dazu Ruth Tringham: “Southeastern Europe in the Transition to Agriculture in Europe: Bridge, Buffer, or Mosaic”. In: Europe's First Farmers, hg. v. Douglas Price. Cambridge 2000, S. 19–56 und G. S.: Spr. Sp. S. 187.

6 Ziffern hinter Namen halten sich an die Kartenskizze 2. – Von der Semantik der behandelten Prägungen sehe ich ab, weil sie für unseren Gedankengang nichts beiträgt und bereits anderswo – in den jeweils einschlägigen Lemmata erörtert wurde, s. meine: Eroberer und Eingesessene. Geographische Lehnnamen als Zeugen der Geschichte Südosteuropas im ersten Jahrtausend n. Chr. Stuttgart 1981.

7 Dazu G. S.: Spr. Sp. S. 186f.

8 Im Vokalismus bleiben unklar: In Nr. 4 und 6 kommt auch i statt ī in Frage, in den auf -jos angesetzten Namen auch -ios. Statt -o- in Nr. 1–3 und links oben Orobωn enthielten die Prägungen vielleicht die Nachfolgelautung a, A- oder einen Laryngal. Für die Vernetzung, um die es uns gehen wird, fallen diese Ungewissheiten nicht ins Gewicht.

9 Zu der Verteilung der Genere auf Längenklasse s. meine: Nordpontischen Ströme. Namenphilologische Zugänge zur Frühzeit des europäischen Ostens. Göttingen 1973, S. 26 (3.2.3) und meinen Aufsatz: „Häufigkeit und Herkunft des Genuswechsels bei Flußnamen auf der Balkanhalbinsel. Europäische Normalität oder historische Sonderbedingungen“. In: Beiträge zur historischen Namenkunde NF. 19 (1984), S. 74–96 (S. 82f.).

10 Als Grund bietet sich an, dass die Bega in ihrem gebogenen Verlauf aus dem Schema der östlichen Theißzuflüsse herausfällt.

11 Bahnbrechend dafür sind die Forschungen des großen Sprachhistorikers Emile Benveniste: Le vocabulaire des institutions indo-européennes 1. Économie, paranté, société. Paris 1969 und 2. Pouvoir, droit, religion. Paris 1969 in: 2. S. 6–69: “La royauté et ses privilèges”.

12 Literatur bei G. S.: Spr. Sp. S. 198 Anm. 32–33.

13 Zum Folgenden s. meine: Nordpontischen Ströme. Namenphilologische Zugänge zur Frühzeit des europäischen Ostens. Göttingen 1973, hier S. 33–66 über die Paarbindung östlich der Karpaten.

14 Zusammenfassend dazu Hans Krahe: Die Struktur der alteuropäischen Hydronymie. Wiesbaden 1963 [= Mainzer Akademie der Wissenschaften und Literatur Abhandlungen der Geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse, Jg. 1962, Nr. 5 (= S. 287–342)].

15 Übergangsverhältnisse um die Donaupforte spiegeln die antiken Formen Pelsω für den Neusiedlersee und Arabo für die benachbarte Raab (Kartenskizze 3 links oben). Beide Bildungen klingen nicht an die Neunergruppe an, aber sind doch immerhin in ihrem Ausgang untereinander vernetzt. Maskuline ωn-Stämme verwendeten die Indogermanen schon in 13 Drīlon für den Drin, auf die Neunergruppe aber griffen sie wohl deshalb nicht mehr zurück, weil diese durchweg auf -os auslauten sollte. Mit Austritt aus dem Vernetzungsschema des Karpatenbeckens wurde -ωn zur Neuverwendung frei.

16 Gottfried Schramm: Acta Academiae Regiae Gustavi Adolphi LXXXVIII. Uppsala 2004, S. 133f.

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