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Von Tigern, Wölfen und Hyänen – oder „Čalga‟ als Selbst-Wunschbild im postkommunistischen Bulgarien


Seiten 21 - 45

DOI https://doi.org/10.13173/zeitbalk.47.1.0021




München

1 Die Kritiken entsprechend in Trud, 25.10.2005, Nr. 291, S. 36 und Trud, 20.10.2005, Nr. 286, S. 16. Alle aus dem Bulgarischen stammenden Zitate sind von der Verfasserin übersetzt.

2 Trud, 1.12.2006, Nr. 332, S. 31.

3 Noch existieren keine Untersuchungen, die genauere Anhängerzahlen nennen können. Verschiedenen Schätzungen und dem gefühlten, in der Öffentlichkeit bereits etablierten Wert zufolge handelt es sich um 85 bis 90 Prozent der bulgarischen Bevölkerung, s. etwa Vencislav Dimov: Etnopopbumăt [Der Ethnopop-Boom], Sofia 2001, 8; Evgenij Dajnov: „Jajceto‟ [Das Ei], in: Čalgata – za i protiv [Die Čalga – pro und contra], Sofia 1999, 65–71.

4 Trud, 11.10.2009, Nr. 278, S. 12.

5 Dem Jahreskonzert des Čalga-Fernsehsenders „Planeta‟ im imposantesten Saal des Nationalen Kulturpalastes in Sofia widmete die Zeitung Trud ganze zwei euphorische Seiten (Trud, 28.11.2009, Nr. 326, S. 22–23).

6 Bericht über die Neueröffnung eines der Clubs im Gebäude von „Sin City‟ (Trud, 9.10.2009, Nr. 276, S. 22).

7 Süddeutsche Zeitung, 22.12.2009: „Stark, sexy und ein bisschen mafiös‟, Artikel von Klaus Brill.

8 Rheinischer Merkur: www.rheinischer-merkur.de, vom 23.10.2008. Der Beitrag wurde auch im Deutschlandradio am 11.1.2009 gesendet.

9 Zu sehen ist der Beitrag auf der Homepage: www.arte.tv/de/Kultur-entdecken/tracks.

10 Für den wissenschaftlichen Gebrauch schlägt Dimov (2001) den Begriff „Ethnopop‟ vor mit der Begründung, es handle sich um die ethnisch markierte Variante einer populären Musiksorte. Da ich jedoch die ethnische Markierung allein als eine viel zu „schwache‟ Charakteristik für das betreffende Phänomen ansehe – sie trifft auch auf andere musikalische Erzeugnisse zu –, verwende ich die drei oben angeführten, in der Öffentlichkeit etablierten und unmissverständlichen Begriffe als Synonyme.

11 Vgl. Rosemary Statelova: „Folkăt: kăm săštnostta na javlenieto i negovoto definirane‟ [Der Folk: zum Wesen des Phänomens und dessen Definierung], in: Bălgarsko muzikoznanie, 1/1999, 5–43, hier S. 23f., und Cenka Jordanova: „World Music i etnocentričnijat model‟ [World Music und das ethnozentrische Modell], in: Bălgarski folklor, 6/1995, 29–39: „World Music‟ als Konzept innerhalb der Pop-Musik, die an „authentischen‟ bzw. „Quellenphänomenen‟ interessiert ist, die sich jenseits der Metropolen des Showbusiness befinden.

12 S. dazu Dimov 2001, 28ff.; Statelova 1999, 14ff.

13 So fiel etwa vor den Parlamentswahlen im Juli 2009 oft die Bezeichnung „Čalga-Politik‟, als politische Auftritte, Aussagen und Wahlkampagnen in den Medien als peinlich verurteilt wurden. „Čalga‟ meinte hier Dilettantismus, Populismus, Debatten auf niedrigem Niveau voller Flüche und Beleidigungen (vgl. z.B. Trud, 1.7.2009, Nr. 177, S. 14). Als „Čalga-Historiker‟ titulierte Prof. Ivan Ilčev, Rektor der Sofioter Universität „Kliment Ochridski‟, die zahlreichen Wissenschaftler, „die dem Massenleser um jeden Preis gefallen wollen‟ und „eine einfache Kneipensprache mit Gläsergeknalle auf den Tisch gebrauchen‟ (Trud, 8.4.2009, Nr. 96, S. 14–15; vgl. auch Ilčev, Ivan: „Napred kăm minaloto‟ [Vorwärts in die Vergangenheit], in Praven svjat, Februar 2007; Ders.: „Za upotrebite na istorijata‟ [Zu den Nutzungsarten der Geschichte], in Sega, 28.4.2007). Von „Čalga‟ in verschiedenen Sphären des Lebens – Business, Politik, Kultur – spricht in einem Interview der Theaterregisseur Kirkor Azarjan und nennt konkret das Verhalten bulgarischer Elitenvertreter auf Partys (Trud, 7.1.2007, Nr. 6, S. 8–9). Sogar der gesamte Staat wird zuweilen mit „Čalga‟ gleichgesetzt: „Čalgarija‟, abgeleitet von Bălgarija (dem Landesnamen auf Bulgarisch), nannte das Land der kritische Journalist Martin Karbowsky schon 1999 und machte sich, milde ausgedrückt, unbeliebt, indem er ein vernichtendes Bild der bulgarischen Gesellschaft zeichnete (auf zahlreichen Internet-Seiten zu finden, z.B. http://clubs.dir.bg/showthreaded.php?Board=chal&Number=1945037530&page=19&view=collapsed&sb=5); „Wir leben in Čalga‟, verkündete auch der Prominente Ivaylo Karajotov in einem Interview und meinte damit „einen Čalga-Staat, in dem die Menschen wertlos sind‟ (Trud, 9.5.2009, Nr. 124, S. 15, 17).

14 Etwa in den Berichten über Konzerte, Preisverleihungen oder in Klatschgeschichten über die Stars, z.B. in Trud, 19.7.2008, Nr. 197, S. 42 oder Trud, 8.4.2009, Nr. 96, S. 23.

15 Einen besonders ausführlichen Überblick über die Neubesinnung auf die während des Sozialismus stigmatisierte „Balkan-Musik‟ bietet die bereits zitierte umfangreiche Untersuchung des Ethnomusikologen Vencislav Dimov „Der Ethnopop-Boom‟ von 2001, die die Periode von 1992 bis 1999 umfasst und die bisher einzige kritische Auseinandersetzung mit dem Thema darstellt. Das große Verdienst der eher deskriptiven Arbeit besteht in der außerordentlich reichhaltigen Sammlung an Daten und Materialien aus verschiedenen Medien und Interviews mit Produzenten, Musikern, Händlern der Čalga-Branche. In der folgenden verknappten Darstellung der ersten Dekade des Čalga-Aufstiegs stütze ich mich auf die von Dimov zusammengetragenen Daten und Materialien. S. auch Vencislav Dimov: „Folkbumăt i popharakteristikite mu‟ [Der Folk-Boom und seine Popcharakteristiken], in: Bălgarski folklor, 6/1995, 4–19.

16 Todor Džidžev: „Čerti na stilovija oblik na redica săvremenni instrumentalni grupi za bălgarska narodna muzika‟ [Stilzüge vieler gegenwärtiger Instrumentalgruppen für bulgarische Volksmusik], in: Bălgarski folklor, 4/1991, 82–84.

17 Dimov 1995, 9.

18 S. dazu Georg Kraev: „Mitologija na gradskata folklorna prazničnost, ili kăm mitologijata na dnešnoto‟ [Mythologie der städtischen Folklore-Festlichkeit oder zur Mythologie des Gegenwärtigen], in: Bălgarski folklor, 3/1990, 33–40; Todor Iv. Živkov: „Folklor i medii‟ [Folklore und Medien], in: Bălgarski folklor, 5–6/1996, 4–10.

19 Dimov (1995, 13) zufolge stellte sich nach langer Suche und zahlreichen Gesprächen mit hinter dem Pseudonym vermuteten Musikern heraus, dass es sich um eine Sammelfigur handle, deren „Prototypen‟ verschiedene regional berühmte Sänger seien. Die meisten Lieder stellen bulgarisierte Varianten populärer griechischer Lieder dar.

20 Der serbische Turbofolk gilt bis heute als das größte Vorbild für die bulgarische Čalga; zu den Ursprüngen und zur Ästhetik des Turbofolk s. Ivana Kronja: “Turbo Folk and Dance Music in 1990s Serbia: Media, Ideology and the Production of Spectacle”, in: The Antropology of East Europa Review, 1/2004, 103–114; Catherine Baker: “The Concept of turbofolk in Croatia: inclusion/exclusion in the construction of national musical identity”. In: Dies. u.a. (ed.): Nation in formation: inclusion and exclusion in central and eastern Europe. London 2007.

21 Interview, geführt von Vencislav Dimov am 14.2.1995, s. Dimov 2001, 42f.

22 Die damalige staatliche Institution.

23 Mit „Bildchen‟ sind Covers von im Ausland erschienenen Kassetten oder LPs gemeint, in Bulgarien schwarz kopiert, mit denen die Piratenaufnahmen verkauft wurden (Dimov 2001, 43); „Unison‟ war ein staatliches Musiklabel.

24 Heute ist die Piraterie nicht mehr direkt in der Produktion, sondern im Vertrieb zu finden, und zwar in den kleineren Läden oder an Verkaufsständen hauptsächlich auf den Märkten. Die legal erschienenen Alben sind vielerorts als Schwarzkopien nach der alten Methode zu haben. Ich selbst habe auch 2009 noch mehrere solche Exemplare gekauft: In der Auslage sieht man nur das legale Produkt, und sobald man Interesse bekundet, wird man informiert, dass die betreffende CD oder DVD in ausgezeichneter Qualität auch unter der Hand für ca. ein Drittel des offiziellen Preises zu haben ist.

25 Den stärksten Unternehmergeist stellte der Eigentümer des heutigen Musikgiganten „Payner Music‟ Dimităr Dimitrov (Pajnera) unter Beweis, der die größten Čalga-Stars zu solchen gemacht und unter Vertrag hat. Den Spitznamen, auf den er auch seine Firma taufte, erwarb sich der ehemalige Maschinenbau-Ingenieur den Gerüchten zufolge dadurch, dass er als einer der ersten in seiner Heimatstadt eine Stereoanlage der Marke „Pioneer‟ besaß; der Spitzname ist die phonetisch abgewandelte bulgarische Variante.

26 Dimov 1995, 5ff.; 2001, 12ff.

27 Vgl. Gehl, Katerina: „Čalga-Kultur als bulgarische Elite-Kultur?‟, in: Südosteuropa Mitteilungen 50/2, 2010, 44–57, hier S. 47.

28 Statelova 1999, 21ff.

29 Bălgarski folklor, 6/1995.

30 Lozanka Pejčeva: „Muzikalnijat polilingvizăm na ciganite v Bălgarija (Nabljudenija vărhu 84 audiokaseti)‟ [Der musikalische Polylinguismus der Zigeuner in Bulgarien (Beobachtungen anhand von 84 Audiokassetten)], in: Bălgarski folklor, 6/6199, 58–72, hier S. 58.

31 Natalija Raškova: „Pirin Folk '95‟, in: Bălgarski folklor, 6/6199, 106–107.

32 Im redaktionellen Beirat saß der damalige Direktor des Instituts für Folklore Prof. Todor Iv. Živkov und unter den Redakteuren befand sich der hier viel zitierte Vencislav Dimov.

33 Folk panair, 7–8/1994, 39. Zitiert werden darin Vertreter der serbischen Intelligenz, die einen verzweifelten Kampf gegen den Turbo-Folk führen, das Phänomen „eine Invasion des Primitivismus‟ nennen und die Einstellungen der Bevölkerung beklagen würden, die „primitiv, kitschig und xenophob‟ geworden seien.

34 Eine genaue Auflistung der relevanten Presse-Rubriken, TV- und Radio-Sendungen findet sich in Dimov 2001, 52–69.

35 Vencislav Dimov: „V presata na presata (Pogled kăm „folka‟ na masmediite i negovata auditorija)‟ [In der Presse der Presse (Ein Blick auf den „Folk‟ der Massenmedien und sein Auditorium)], in: Bălgarski folklor, 5–6/1996, 35–40, hier S. 36ff.

36 Zu den ideologischen Instituten, Kommissionen, zur Kulturpolitik und -organisation während des Sozialismus s. Ivan Elenkov: Kulturnijat front [Die Kulturfront], Sofia 2008.

37 Die sozialistische Intelligenz erwies sich als Hauptquelle der neuen politischen Eliten, und zwar sowohl der neuen sozialistischen als auch der oppositionellen demokratischen. Zur langen Tradition der „Ministermanie‟ der bulgarischen Intelligenz s. Lisbeth Ljubenova: „Inteligencija i vlast‟ [Intelligenz und Macht], in: Zwetana Todorova, Clemens-Peter Haase (Hg.): Politische Kultur in Bulgarien seit 1878, Deutschland und Südosteuropa, Sofia 2003, 50–61; zu den politischen Symbolen und Ideologien in Bulgarien nach der Wende s. Rumen Daskalov: „Politische Symbole und Rituale im postkommunistischen Bulgarien‟, in: Hans Leo Krämer, Christo Stojanov (Hg.): Bulgarien im Übergang. Sozialwissenschaftliche Studien zur Transformation, Bergisch Gladbach 1999, 191–220.

38 Rumen Daskalov: „Kakvo se slučva s bălgarskata kultura?‟ [Was geschieht mit der bulgarischen Kultur?], in: Kultura, 22.1.1999, Nr. 3, 9–11.

39 Emilija Petrova: „Konflikti i duhovnost‟ [Konflikte und Geistigkeit], in: Petko Gančev (Hg.): Socialnite konflikti v postsocialističeskite strani v uslovijata na globalizacijata i regionalizacijata [Die sozialen Konflikte in den postsozialistischen Ländern unter den Bedingungen der Globalisierung und Regionalisierung], Varna 2004, 234–240, hier S. 236.

40 S. dazu auch Rumen Daskalov: „Masmedii i obštestveni diskursi v promjanata‟ [Massenmedien und gesellschaftliche Diskurse während der Transformation], in: Ders.: Neštata naokolo [Die Dinge rundherum], Sofia 1998, 89–113. Soziologen sprechen von „massenhafter Deklassierung‟ und „drastischer sozialer Teilung‟ der Gesellschaft (s. Andrej Rajčev u.a. (Hg.): Socialna stratifikacija v Bălgarija [Soziale Stratifikation in Bulgarien], Sofia 2000; Andrej Rajčev, Kănčo Stojčev (Hg.): Kakvo se sluči? Razkaz za prehoda v Bălgarija 1989–2004 [Was geschah? Erzählung über den Übergang in Bulgarien 1989–2004], Sofia 2004).

41 Ivan Čolović: „Warum sind wir stolz auf den Balkan?‟, in: Online-Netzwerkmagazin der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S., 2005.

42 Etwa Dmitrij Varzonovcev: „‚Čalga‘? Njama takova nešto‟ [„Čalga‟? So etwas gibt es nicht], in: Čalgata – za i protiv, 1999, 9–11 und Veronika Azarova: „Čalgata – vreme za upotreba‟ [Die Čalga – Zeit zur Nutzung], in: ebd., 13–16. Um die Relativierung der Differenzen sind auch zahlreiche weitere Autoren bemüht, z.B. Claire Levy: „Replika po povod projavite na popfolka‟ [Replik anlässlich der Erscheinungsformen des Popfolk], in: Bălgarsko muzikoznanie, 1/1199, 67–70; Claire Levy: „Producirane na poslanija v săvremennata ‚etničeska‘ muzika‟ [Die Produktion von Botschaften in der gegenwärtigen „ethnischen Musik‟], in: Bălgarsko muzikoznanie, 3/3200, 69–89; Statelova 1999; Radost Ivanova: „Masmedii i folklor‟ [Massenmedien und Folklore]. In: Dies., Kultura na krizata – kriza v kulturata [Kultur der Krise – Krise in der Kultur]. Sofia 2002, 35–46; Elka Agoston-Nikolova: “Improvisation and Variation: Post-Communist Bulgaria Challenges National Folklore Tradition”, in: Folklore: Electronic Journal of Folklore, 39/39200 (www.ceeol.com), 7–16.

43 Über den Werdegang der „Bosse‟ sind mittlerweile zahlreiche Bücher geschrieben worden. Das Genre erwies sich als besonders erfolgreich und spannender als die besten Krimis. Vermeintliche „Eingeweihte‟ betätigen sich als Chronisten und die Werke erscheinen in spezialisierten Buchreihen, etwa „Kollektion: ‚Die ermordeten Bosse‘‟. Im April 2008 wurde sogar einer der Autoren, Georgi Stoev, selbst ehemaliges Mitglied einer der Gruppierungen, erschossen; seine Memoiren „BG Krăstnikăt‟ [Der BG-Pate] wurden zum Bestseller, für etliche „Kollegen‟ hätten jedoch seine offiziellen Aussagen vor Gericht anscheinend gefährlich werden können. S. dazu z.B. den umfangreichen Artikel von Dimiter Kenarov vom 29. April 2009 in The Nation: “Chronicle of a Death Foretold: Georgi Stoev's Gangster Pulp” (www.thenation.com).

44 Vgl. Ivanova 2002, Dimov 1998.

45 Auch über diese inzwischen legendäre Verbindung zwischen den Mafia-Bossen und den Čalga-Stars sind Bücher geschrieben worden. Zwar können diese Berichte angeblicher „Augenzeugen‟ nicht als Quellen dienen, bei den meisten Geschichten handelt es sich allerdings um allgemein bekannte, auch durch die Medien verbreitete Ereignisse und Beziehungen. Als Beispiele zu nennen wären „Das Imperium ‚Pajneroff‘ 1:1. Die wahre Geschichte der Čalga‟ vom Čalga-Texteschreiber, Ex-Ehemann der Čalga-Sängerin Petra und ansonsten Theaterschauspieler Stefan Cirkov, erschienen 2009, und „Weiße Vögel und Kugeln‟ (benannt nach einem der berühmtesten frühen Čalga-Hits) vom Journalisten Georgi Stojanov, erschienen 2008. Aufgrund ihrer minderwertigen Aufmachung, der beachtlichen Fülle an grammatikalischen und orthografischen Fehlern, die wegen der fehlenden redaktionellen Bearbeitung direkt auf das sprachliche Niveau der Autoren verweisen, sind sie eher als billige Heftchen zu bezeichnen. Auf dem seit der Wende recht anspruchslos gewordenen bulgarischen Büchermarkt fällt so etwas jedoch nicht auf; was in Zusammenhang mit der Mafia und der Čalga geschätzt wird, sind die vulgäre Sprache und die pornografischen Details, mit denen die Autoren ihre Werke reichlich bestücken und auf großes Interesse stoßen.

46 Ende 2009 erschien, nun schon in sehr luxuriöser Aufmachung, ein weiteres Buch über die Čalga: „Folk Musaka. 25 Rezepte für den Weg zum Erfolg‟. Wie der Titel schon andeutet, stellt das großformatige, recht teure, auf Glanzpapier und mit hochwertigen Bildern gedruckte Buch 25 Čalga-Sänger/innen vor und berichtet in Form regelrechter Lobeshymnen über ihre Talente. Herausgegeben ist das Werk von zwei Journalistinnen: Gergana Marinova und Nina Nord, und erschien im Verlag der Tageszeitung Trud.

47 Zur Mediengesetzgebung in Bulgarien s. Simone Schlindwein: Zwischen Propaganda und Kommerz – Medien(un)freiheit in Südost-, Mittelost- und Osteuropa, Wiesbaden 2007, 73–79.

48 Angaben der Agentur „Market Links‟, veröffentlicht in Trud, 25.4.2009, Nr. 112, S. 19. Der Statistik zufolge hören 35,3% BNR, 27% „Veselina‟, 15,7% „Darik‟ und 13,2% „Veronika‟; andere Musiksender wie „Radio 1 Rock‟ oder „Z-Rock‟ liegen viel weiter hinten mit entsprechend 5,2% und 4,5%.

49 2001 existierten zum Beispiel 1143 Periodika und 461 elektronische Medien, davon 465 Zeitungen, 678 Zeitschriften; die jährliche Auflage der Zeitungen insgesamt betrug 372,6 Mio. Exemplare, der Zeitschriften 16,7 Mio. bei einer Bevölkerungszahl von 7.891.095 (Nationales Statistisches Institut 2001, zit. nach Zdravka Konstantinova: „Za vlastta i mediite‟ [Über die Macht und die Medien], in: Todorova/Haase, 232–239, hier S. 237.

50 Das Phänomen des Tabloids bzw. des Boulevardjournalismus bildet in den entwickelten westlichen Demokratien ein „mediales Mittelfeld‟ und trägt so zur „Aufweichung‟ der bipolaren Fronten zwischen qualitativem und populärem Journalismus bei: ein Journalismus aus der Perspektive der Leser (Rudi Renger: „Politikentwürfe im Boulevard. Zur Ideologie von ‚Tabloid-Formaten‘‟, in: Christian Schicha, Carsten Brosda (Hg.): Politikvermittlung in Unterhaltungsformaten. Medieninszenierungen zwischen Popularität und Populismus, Münster 2002, 223–232, hier S. 225ff.). Für die Situation in Bulgarien ist dieser Begriff insofern unpassend, als die Boulevardpresse mangels qualitativen Journalismus dessen Platz eingenommen hat und sowohl von den Produzenten als auch von den Konsumenten als seriöse Presse wahrgenommen wird.

51 Etwa die Tageszeitung Dnevnik oder die wöchentliche Kapital; zu nennen wären noch die eher schmalen Wochenzeitungen Kultura und Glasove, die sich als Nischen und Foren der Intellektuellen etabliert haben, jedoch eine nur schwache, weil kaum wahrgenommene Opposition zu den Tabloid-Formaten bilden.

52 S. dazu besonders Orlin Spasov: „Kriminalnijat žanr i tabloidăt‟ [Das kriminelle Genre und der Tabloid], in: Georgi Lozanov, ders. (Hg.): Liderăt „Trud‟ [Der Leader „Trud‟], Sofia 2002, 102–117, hier S. 105; Georgi Gospodinov: „Prelăstjavaneto na pazara‟ [Die Verführung des Marktes], in: ebd., 137–151, hier S. 142f.; Ivaylo Dičev: „Nacionalnijat tabloid‟ [Der nationale Tabloid], in: ebd., 219–235, hier S. 227f.

53 Besonders lobt sich die Zeitung anlässlich verschiedener Jubiläen; ihre 21000. Ausgabe feierte sie etwa mit den Worten: „Bulgarien hat keine andere vergleichbare Zeitung: weder mit so viel Geschichte, noch mit einer solchen Autorität, noch – und das ist das wichtigste – mit einem solchen Publikum (das sagen wir mit dem Risiko, die Kollegen zu verärgern, aber wir müssen, wie immer, den Fakten treu bleiben)‟ (Trud, 9.9.2009, Nr. 247, S. 1). Anlässlich ihres 73. Geburtstags veröffentlichte Trud verschiedene statistische Daten, die es ihr erlaubten, sich „die schon 12 Jahre lang meistgelesene und einflussreichste Tageszeitung in Bulgarien‟ zu nennen (Trud, 2.3.2009, Nr. 59, S. 16).

54 Dičev 2002, 228.

55 Bogdan Bogdanov: „Žurnalističeskata tvorba v černo‟ [Die journalistische Schöpfung in Schwarz], in: Georgi Lozanov, Orlin Spasov (Hg.): Medii i mitove [Medien und Mythen], Sofia 2000, 317–328, hier S. 318, 326.

56 Alexander Kiossev: „Častnijat život na publičnija ezik‟ [Das Privatleben der öffentlichen Sprache], in: Ders.: Leljata ot Gjotingen. Izvăn-disciplinarni eseta [Die Tante aus Göttingen. Außerdisziplinäre Essays]. Sofia 2005, 218–246.

57 „Ein privates Tagebuch der großen nationalen Familie‟ nennt Dani Nedjalkova („Săvremennijat medien obraz – aktiven generator na socialnija konflikt‟ [Das gegenwärtige Medienbild – aktiver Generator sozialer Konflikte], in: Petko Genčev, 225–233, hier S. 225) das Produkt der Bemühungen der Tageszeitung 24 časa um die Wir-Konstruktion; vgl. hierzu auch Gospodinov 2002.

58 Kiossev, Častnijat život, 225.

59 Trud, 4.4.2009, Nr. 92, S. 23; das Zitat stammt aus der Kolumne der kritischen Journalistin Kristina Patraškova „Răb‟ [Eck], die Mitte 2009 abgesetzt wurde.

60 S. zum Beispiel das Interview mit dem langjährigen (seit 1991) Chefredakteur von Trud Tošo Tošev in Lozanov/Spasov (2002, 7–44), der, nach dem Profil der Zeitung gefragt, ebenso souveräne wie ausweichende Antworten auf die Fragen der Medienwissenschaftler gibt.

61 Vgl. Jordan Eftimov: „Formula na uspeha – bez osobenosti‟ [Erfolgsformel – ohne Besonderheiten], in: Lozanov/Spasov 2002, 164–180.

62 Klaus Sachs-Hombach: Das Bild als kommunikatives Medium. Elemente einer allgemeinen Bildwissenschaft. Köln 2003, 277.

63 Alexander Kiossev: „Metamorfozi: Pazar, eksces, tela na scenata na prehoda‟ [Metamorphosen: Markt, Exzess, Körper auf der Bühne des Übergangs], in: Ders., Leljata, 321–355, hier S. 343.

64 Knut Hickethier: „Vom Theaterstar zum Filmstar. Merkmale des Starwesens um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert‟, in: Werner Faulstich, Helmut Korte (Hg.): Der Star. Geschichte, Rezeption, Bedeutung. München 1997, 29–47, hier S. 31.

65 Vgl. Gehl 2010, 52.

66 Entsprechend in Trud, 16.11.2009, Nr. 314, S. 22; 27.8.2009, Nr. 234, S. 19; 16.6.2009, Nr. 162, S. 23.

67 Entsprechend in Novinite dnes, 9.12.2009, S. 14; Trud, 19.1.2009, Nr. 17, S. 11; 23.7.2009, Nr. 199, S. 23; 28.7.2009, Nr. 204, S. 24.

68 So erging es etwa dem berühmten Schlagersänger Vasil Najdenov, der 1997 seinen Abscheu vor der Čalga offen zum Ausdruck brachte, diesen 2003 weitgehend relativierte und 2005 gemeinsam mit Čalga-Sängern ein Konzert veranstaltete; s. dazu Trud, 4.1.2006, Nr. 2, S. 12.

69 Entsprechend in Trud, 7.8.2008, Nr.216, S. 38; 1.11.2008, Nr. 302, S. 40; 23.5.2009, Nr. 138, S. 24; 9.2.2009, Nr. 38, S. 11.

70 Der klangvolle Name lautet „Male, male‟ und als Emblem hat man einen Stringtanga gewählt; s. dazu in Trud, 4., 5., 6.9.2009, Nr. 242, 243, 244, S. 12, 1, 7; ein langer Artikel auch auf www.novinite.com vom 9.10.2009.

71 Trud, 3.9.2009, Nr. 241, S. 23.

72 Mittlerweile hat jede Partei ihre Lieblingsstars, die während der Wahlkampagnen für das bulgarische sowie für das Europa-Parlament auftraten. Eine Auflistung der engagierten Stars liefert z.B. Trud, 1.7.2009, Nr. 177, S. 11.

73 S. dazu Trud, 8.4.2009, Nr. 96, S. 23.

74 Kapital, 20.12.2009, Nr. 51 (www.capital.bg), Artikel von Irina Cenkova.

75 Ivaylo Dičev: „Zapiski po bălgarskite identičnosti‟ [Aufzeichnungen zu den bulgarischen Identitäten], in: Nacionalnata identičnost v dialoga meždu kulturite [Die nationale Identität im Dialog zwischen den Kulturen]. Pleven 2003, 7–24, hier S. 8.

76 S. dazu etwa Andreas Huyssen: After the Great Divide. Modernism, Mass Culture, and Postmodernism. London 1986; Christa Bürger u.a. (Hg.): Zur Dichotomisierung von hoher und niederer Literatur. Frankfurt a.M. 1982.

77 In Anlehnung an Bourdieu führt Dörner den Begriff des „Körperkapitals‟ ein (Andreas Dörner: Politische Kultur und Medienunterhaltung. Konstanz 2000, 122).

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